Der Homberger 06-07/2001:
Kroklokwafzi? Semenemi!
Christian Morgenstern vor Grundschulkindern und ihren Eltern
Was ist ein Gedicht? Ein Gedicht ist etwas, was man auswendig lernt und aufsagen muss. Und wer ist Christian Morgenstern? Ein Mann, der Gedichte geschrieben, einer Homberger Grundschule den Namen gegeben hat und seit 1914 tot ist.
Sicher, beides ist (auch) richtig. Aber beides ist höchstens ein Viertel der ganzen Wahrheit. Das zeigten Christel Lueb-Pietron und Nikola Barth am Montagvormittag vor den Kindern der Christian-Morgenstern-Schule und abends noch einmal vor 70 Eltern. Das Werk Christian Morgensterns - manche Erwachsenen kennen vielleicht seine "Galgenlieder" war geprägt von einem ungeheuren Fabulier- und Spieltrieb. Christel Lueb-Pietron, gekleidet als Clown, versuchte daher gar nicht, Gedichte "aufzusagen", sondern sie spielte sie, führte sie szenisch vor. Nikola Barth machte Musik dazu - am Klavier, mit der Posaune, mit einer Okarina und mit ihren Lippen, wenn sie pfiff oder zischte. Am Ende spielte sogar die bisherige kommissarische Rektorin der Christian-Morgenstern-Schule auf der Geige mit.
So hörten die Kinder von dem Wiesel, das allein um des Reimes willen im Bachgeriesel saß; sie hörten von den Eifersüchteleien von Herrn Löffel und Frau Gabel. Ein Höhepunkt war die große Rede für wichtige Anlässe, deren Inhalt - ebenso unverständlich wie inhaltsleer - stets gleich blieb: "Kroklokwafzi? Semenemi! Seiokontro - prafrilo: Bifzi, bafzi; hulalemi: quasti bast bo... Lalu lalu lalu Iala la!" - Aber erstaunlicherweise taugte dieser Text immer, egal, ob eine Hexe, ein Mafioso, ein Politiker oder Britney Spears ihn als Textgrundlage ihrer Ansprache nutzte...
Alle Kinder der Schule kennen das Bild im Treppenhaus: "Der See hat eine Haut bekommen": Natürlich durften diese Verse ebenso wenig fehlen wie das Gedicht der drei Spatzen Erich, Franz und Hans, das einige Kinder bereits auswendig gelernt und jetzt auf den Handzetteln wiederentdeckt hatten. Es war ein wunderbares Bild, als Christel Lueb-Pietron, Nikola Barth - erkennbar hochschwanger - und eine große Stoffpuppe im T-Shirt der ChristianMorgenstern-Schule diese drei Vögel darstellten, die sich aneinanderkuschelten und wärmten.
Es waren gelungen Stunden, die der Sprech-Spielerin und der Musikerin viel Beifall einbrachten. Am Abend wurde das Programm für die Eltern noch einmal wiederholt. Bewundernswert war die Phantasie, mit der Christel Lueb-Pietron die Szenen einführte und darstellte, aber gleichermaßen gekonnt war die Art, wie Nikola Barth sich in die Texte einfühlte und mit ihren musikalischen Mitteln zur Gesprächspartnerin wurde. Der Dank, den Frau Jacobmeyer mit einem Glas schuleigenen Honig zum Ausdruck brachte, war hochverdient.
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